Category: .Albert, Hans

The ideal of truth

Die Suche nach einem solchen Kriterium, einem sicheren Anzeichen der Wahrheit, war bisher erfolglos. Deshalb muß man aber keineswegs die Wahrheitsidee, den Begriff und das Ideal der Wahrheit opfern. Alfred Tarski hat mit Recht festgestellt, daß sich der Wahrheitsbegriff in dieser Hinsicht nicht von manchen anderen Begriffen – zum Beispiel von Begriffen des mathematischen und des physikalischen Denkens – unterscheidet. [11]

The continuum of philosophy and science

Wo aber heute noch Erkenntnistheorie im alten Sinne auftaucht – zum Beispiel in analytischer Maskerade –, da sucht sie sich oft scharf von den Realwissenschaften abzugrenzen, und zwar mit dem Hinweis, daß sie im Gegensatz zu die­sen Sinn- und Geltungsprobleme behandle, während diese es nur mit Tatsachenproblemen zu tun hätten. Im Grunde genommen hat sich hier die auf Hume und Kant zurückgehende scharfe Scheidung von quaestio juris und quaestio facti, deren Berechtigung ich hier keineswegs bestreiten will, in eine Bereichsabgrenzung zwischen reiner Philosophie und Realwissenschaft umgesetzt, die die Möglichkeit einer sauberen Arbeitsteilung suggeriert, aber es mitunter schwer macht, wichtige Zusammenhänge zu erkennen. [8]

… don’t do as I do

[M]an tut gut daran, das Urteil über die Bedeutung eines Denkers nicht davon abhängig zu machen, inwieweit er in der Lage war, sein Temperament zu zügeln und den von ihm vertretenen Idealen gerecht zu werden. [194]

The limits of critical rationalism

In Wirklichkeit ist die Methode der kritischen Prüfung an keinen intellektuellen oder sozialen Bereich ge­bunden. Es gibt keine sinnvolle Einschränkung ihrer Anwendung im Interesse der Erkenntnis, nur eine solche im Interesse der Auf­rechterhaltung bestimmter Bestände, bestimmter geistiger und sozialer Gegebenheiten, die man dem historischen Wandel gerne entziehen möchte. Auch die Beschränkung der kritischen Vernunft auf die Wissenschaften, die Technik und die Wirtschaft ist nicht besonders sinnvoll. Es gibt keine a priori feststehende saubere Trennung der Bereiche, keine Abschottung und Isolierung von Beständen, die sich auf jeden Fall durch­halten ließe. Auch innerhalb der Wissenschaften haben sich derartige Grenzziehungen nie bewährt. Und wer die Wertfreiheit der Wissenschaft etwa so deuten wollte, daß sich der Bereich des Moralischen, der Werte und der Normen grundsätzlich kritisch-rationaler Analyse entziehe, der hätte aus der Fragwürdigkeit normativer Wissen­schaften dogmatischen Charakters eine falsche Konsequenz gezogen. Als Instrument der positiven Begründung, der dogmatischen Rechtfertigung, mag die Logik in diesem Bereiche ebensowenig brauchbar sein wie in dem der Wissenschaft. Als Instrument kritischer Analyse und Prüfung, als Organon der Kritik, läßt sie sich nirgends ausschalten.

Different ways of knowing

In diesem Zusammenhang wird oft ein fundamentaler Unterschied zwischen Glauben und Wissen behauptet, von dem her solche methodischen Unterschiede legitimiert werden können. Im Bereich des Wissens, vor allem in dem der Wissenschaft, scheint die Vernunft, das rationale Denken, eine ganz andere Funktion zu haben als im Bereich des sogenannten Glaubens. Während im ersten Bereich eine kritische Vernunft am Platze ist, neigt man im zweiten eher dazu, sich für eine deutende, verstehende, hermeneutische Vernunft auszusprechen oder gar die hier adäquate Ver­fahrensweise von der der Vernunft überhaupt abzusetzen. Man entwickelt eine Zwei-Sphären-Theorie, die gewisse tradierte Anschauungen gegen bestimmte Arten der Kritik abschirmen und einen inselhaften Bereich unantastbarer Wahrheiten schaffen soll. In diesem Bereich ist man unter Umständen sogar bereit, die Logik außer Gefecht zu setzen, damit echte Widersprüche akzeptabel werden, allerdings meist ohne die Trag­weite eines solchen Unternehmens und seine Absurdität voll zu erkennen. Man ist zwar im sicheren Besitz der Wahrheit, hat aber dennoch eine gewisse Angst vor kritischer Prüfung und opfert daher oft lieber die elemen­tare Moral des Denkens als diesen angeblich sicheren Besitz. Auf diese Weise kann man dogmatischen Verfahrensweisen mitunter eine gewisse Anerkennung verschaffen, nicht ohne daß die Isolierung verschiedener Bereiche des Denkens und Handelns voneinander jene milde intellek­tuelle Schizophrenie fördert, die es gestattet, die konse­quente Anwendung kritischer Verfahrenweisen als Naivität zu belächeln.

Non-overlapping magisteria

Während sich im philosophischen Denken heute die Idee der kritischen Prüfung unter Lösung vom Rechtfertigungs­denken durchzusetzen scheint, ist gleichzeitig eine Tendenz zu beobachten, die Anwendung dieser Idee nach Mög­lichkeit auf gewisse Bereiche einzuschränken und für andere Bereiche andere Möglichkeiten zu postu­lieren, vor allem: hier ältere Denkformen und traditionelle Methoden aufrechtzuerhalten. Man versucht, gewisse Bereiche gegen das Eindringen kritischer Gesichtspunkte zu immunisieren, während man andere dafür frei gibt, so, als ob die Annäherung an die Wahrheit bzw. die Eliminierung von Irrtümern, Fehlern und Mißverständ­nissen im einen Falle durch Kritik geför­dert werden könne, während im anderen Falle kritisches Denken eher schädlich sein müsse. Solche an sich nicht sehr überzeugende Einteilungsversuche sind wohl in allen Gesell­schaften an der Tagesordnung, da es stets Überzeugun­gen zu geben scheint, die so wichtig sind, daß ihre kritische Untersuchung Unbehagen erzeugen muß.

Entrenching authority in the name of truth

Institutionelle Praktiken, die die Konkurrenz der Ideen ausschalten, das Aufkommen alternativer Lösungen von Proble­men verhindern, religiöses oder politisches Parteiliniendenken indoktrinieren, und das alles, weil bestimm­te soziale Rollenträger den Anspruch erheben, im alleinigen Besitz einer absoluten Wahrheit zu sein, haben nur die Wirkung, Intoleranz, Engstirnigkeit, Starrheit, Dogmatismus und Fanatismus zu fördern und die geistige und moralische Ent­wicklung aufzuhalten.

Confirmation bias as a defensive strategy

Die Anwendung dogmatischer Methoden scheint unter Umständen in sehr starken Motiven zu wurzeln. Diese Motive sorgen dafür, daß das System theoretischer Überzeugungen, mit Hilfe dessen sich die betreffenden Personen in der Welt orientieren, in starkem Maße den Charakter eines „Verteidigungs­netzwerkes“ gegen bedroh­liche Informationen gewinnt, so daß die Abschirmungsfunktion, die Funktion der Sicherung, über die Orien­tie­rungsfunktion dominiert. Das System wirkt also selektiv nicht in der Richtung systemrelevanter, sondern in der Richtung systemkonformer Informa­tionen. Man tendiert in weit stärkerem Maße dazu, bestätigende Infor­ma­tio­nen zu sammeln als auf widersprechende Informationen zu achten, weil man auf diese Weise unerwünschte kog­nitive Dissonanz vermeiden kann. Das heißt also, daß man die Methode der positiven Rechtfertigung prak­tiziert, nicht die Methode der kritischen Prüfung, die ja gerade auf relevante Informationen zielt, die mit bis­herigen Anschauungen unvereinbar sind.

Fear and the closed mind

Personen, die über ein relativ „geschlossenes“ System von Überzeugungen verfügen, ein System von autoritär-dogma­tischer Struktur, legen bei der Lösung von Problemen ein Verhalten an den Tag, das auf eine relative Isolierung der verschiedenen Bestand­teile dieses Systems schließen läßt. Sie sind nicht so leicht imstande, interne Widersprüche zu erkennen, zwischen sachlichen Auffassungen und den sie vertretenden Personen zu unterscheiden, ihr System unter dem Einfluß rele­vanter Argumente umzustrukturieren, und neigen zum „Parteiliniendenken“ in Abhängigkeit von ak­zeptierten Autoritäten. Der emotionale Faktor, der die Neigung zu geschlossenen, dogmatischen Systemen und damit die Tendenz zu einem derartigen kognitiven Funktionieren begünstigt, ist die Angst. Offenbar ist ein andauern­der Zu­stand der Bedrohung in der Persönlichkeit eine wesentliche Bedingung für die Entstehung geschlossener Glaubens­systeme.

No absolute reason either

Die Naturalisierung und Demokratisierung der Offenbarungsidee löste die Erkenntnis aus den traditionellen Bindun­gen und machte sie zu einer Offenbarung der Vernunft oder der Sinne. Nicht mehr durch Berufung auf mit Autorität versehene Texte, sondern durch Berufung auf geistige Intuition oder Sinneswahrnehmungen konnte man nun Erkennt­nisse legitimieren. Das heißt aber nur, daß die irrationale Autorität durch rationale Instanzen mit ähnlicher Funktion er­setzt, das autoritäre Rechtfertigungsschema aber letzten Endes doch beibehalten wurde. Die Wahrheit war nun jedem zugänglich, der sich seiner Vernunft oder seiner Sinne in richtiger Weise bediente, aber gleichzeitig blieb die Idee einer Wahrheitsgarantie, die Vorstellung einer sicheren Erkenntnis, aufrechterhalten. Durch Intuition oder Wahrneh­mung hatte man einen unmittelbaren Zugang zu einer unbezweifelbaren Wahrheit, von der sich die anderen, mittel­baren, Wahrheiten mit Hilfe eines Ableitungsverfahrens, in deduktiver oder induktiver Weise, gewinnen ließen. Man glaubte also immer noch auf einen sicheren Grund rekurrieren zu müssen und auch zu können.