Aber es bleibt wahr, daß die Art und Weise, in der entwickelte Gesellschaften die geschaftliche Arbeitsteilung organisiert haben, eine Reihe von Fragen offen läßt, die eine auf Melioration bedachte Gesellschaft beantworten muß, wenn sie sich ihres Namens würdig erweisen will: Wie ist es möglich, Menschen auf die übrigen Tätigkeiten ihrens Lebens in einer Umgebung vorzubereiten, die absichtlich von diesen Tätigkeiten abgesondert ist? Welche Chancen gibt es für diejenigen, die nach einer Zeit der Berufstätigkeit erneut etwas lernen wollen, neue Dinge oder mehr über die Gegenstände ihrer ursprünglichen Ausbildung? Welchen vernünftigen Sinn kann es haben, einerseits die Arbeit der Menschen übermäßig zu determinieren und anderersiets ihre Freizeit bewußt undeterminiert zu lassen? … Welchen Sinn hat es, Menschen, die viele Erfahrungen gesammelt haben, gesund sind und arbeiten wollen, in Pension zu schicken? Diese Fragen sind nicht neu; auch läßt sich auf alle durchaus eine Antwort geben. Aber ich meine, daß wir, wenn wir unser Leben bessern wollen, begreifen müssen, daß Bildung mehr ist als die Vorbereitung auf künftige Pflichten, Arbeit mehr als eine unangenehme Last, derer man sich so schnell wie möglich entledigen muß, und Freizeit mehr als eine residuale Zeit, um den Garten zu pflegen, an den Motorrädern der Freunde zu basteln, Fußball zu spielen, Musik zu hören, aber auch sich zu langweilen, sich zu betrinken, das eigene Leben zu zerstören und das von anderen. Die Rekonstruktion des sozialen Lebens der Menschen muß die Versteinerungen einer verfehlten Arbeitsteilung überwinden. Sie zielt darauf ab, die Einheit des menschlichen Lebens wiederherzustellen, oder vielleicht zum ersten Mal überhaupt herzustellen, so daß soziale Lebenschancen einen kontinuierlichen Prozeß menschlicher Tätigkeit versprechen, der in vielfältigen Dimensionen und Weisen seinen Ausdruck findet. Der erste Schritt auf diesem Wege liegt in der Schleifung der Wälle zwischen Bildung, Arbeit und Freizeit. …
Die zentrale Aufgabe der Bildung liegt indes nicht darin, Ersatzteile für den Wirtschaftsprozeß zu produzieren, sondern menschliche Fähigkeiten zu entfalten, indem sie für vielfältige Wahlmöglichkeiten geöffnet und nicht auf angebliche Anforderungen hin getrimmt werden. Darum sollte die Erziehung junger Menschen weit und nicht eng, allgemein und nicht spezialisiert und vor allem nicht zu lang sein. [93-4]
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