Category: Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien

diaphanes: 2009.

Let the party think for you

In Wirklichkeit aber nimmt mit sehr wenigen Ausnahmen jemand, der in eine Partei eintritt, gehorsam jene Geistes­haltung an, die er später folgendermaßen ausdrücken wird: „Als Monarchist, als Sozialist meine ich, dass …“ Das ist so bequem! Denn es heißt, nicht zu denken. Es gibt nichts Bequemeres als nicht zu denken.

Das dritte Merkmal der Parteien – nämlich dass sie Maschinen zur Fabrikation kollektiver Leidenschaft sind – ist so augenscheinlich, dass es keiner Erläuterung bedarf. Die kollektive Leidenschaft ist die einzige Energie, die den Parteien für die Propaganda nach außen hin und für den Druck, den sie auf die Seele jedes Mitglieds ausüben, zur Verfügung steht.

Man gibt zu, dass der Parteiengeist blind macht, dass er taub macht für die Gerechtigkeit und dass er selbst recht­schaffene Leute zum grausamsten Wüten gegen Unschuldige hinreißt. Man gibt es zu, doch man denkt nicht daran, die Organismen abzuschaffen, die einen solchen Geist fabrizieren. [28-9]

The inner light of truth

Wenn es keine Wahrheit gibt, dann ist es legitim, auf diese oder jene Weise zu denken, als jemand, der zufälligerweise dieses oder jenes ist. So wie man schwarze, braune, rote oder blonde Haare hat, weil man eben so ist, sondert man auch diese oder jene Gedanken ab. Das Denken ist damit wie die Haare Produkt eines körperlichen Ausscheidungs­prozesses.

Erkennt man an, dass es eine Wahrheit gibt, darf man nur denken, was wahr ist. Dann denkt man etwas nicht, weil man zufälligerwise Franzose ist oder Katholik oder Sozialist, sondern weil das unwiderstehliche Licht der Evidenz so und nicht anders zu denken verpflichtet.

… In jedem Fall gewährt das innere Licht jedem, der es befragt, immer eine offenkundige Antwort. Der Inhalt der Antwort ist mehr oder weniger affirmativ; das ist nicht wichtig. Er kann stets revidiert werden: korrigiert werden jedoch kann er nur aus einem Mehr an innerem Licht heraus. [20-1]

Totalitarianism and truth

Jede Wirklichkeit impliziert von selbst eine Grenze. Was gar nicht existiert, lässt sich niemals begenzen.

Deshalb besteht eine Affinität, ein Bündnis zwischen dem Totalitarismus und der Lüge.

Vielen Leuten kommt allerdings der Gedanke an eine totale Macht gar nicht nicht in den Sinn; diese Vorstellung würde sie ängstigen. Sie ist schwindelerregend, und es braucht eine Art von Größe, um sie auszuhalten. Wenn solche Leute sich für eine Partei interessieren, begnügen sie sich mit dem Wunsch, sie möge wachsen – doch so, wie etwas wächst, das keine Grenze in sich trägt. Wenn es in diesem Jahr drei Mitgleider mehr gibt als im letzen oder die Spenden­sammlung hundert Francs mehr eingebracht hat, sind sie zufrieden. Aber sie wünschen, dass dies unbegrenzt immer so weitergeht. Nie würde ihnen einfallen, dass ihre Partei irgendwann zu viele Mitglieder, zu viele Wähler, zu viel Geld haben könnte. [17-8]