In diesem Zusammenhang wird oft ein fundamentaler Unterschied zwischen Glauben und Wissen behauptet, von dem her solche methodischen Unterschiede legitimiert werden können. Im Bereich des Wissens, vor allem in dem der Wissenschaft, scheint die Vernunft, das rationale Denken, eine ganz andere Funktion zu haben als im Bereich des sogenannten Glaubens. Während im ersten Bereich eine kritische Vernunft am Platze ist, neigt man im zweiten eher dazu, sich für eine deutende, verstehende, hermeneutische Vernunft auszusprechen oder gar die hier adäquate Verfahrensweise von der der Vernunft überhaupt abzusetzen. Man entwickelt eine Zwei-Sphären-Theorie, die gewisse tradierte Anschauungen gegen bestimmte Arten der Kritik abschirmen und einen inselhaften Bereich unantastbarer Wahrheiten schaffen soll. In diesem Bereich ist man unter Umständen sogar bereit, die Logik außer Gefecht zu setzen, damit echte Widersprüche akzeptabel werden, allerdings meist ohne die Tragweite eines solchen Unternehmens und seine Absurdität voll zu erkennen. Man ist zwar im sicheren Besitz der Wahrheit, hat aber dennoch eine gewisse Angst vor kritischer Prüfung und opfert daher oft lieber die elementare Moral des Denkens als diesen angeblich sicheren Besitz. Auf diese Weise kann man dogmatischen Verfahrensweisen mitunter eine gewisse Anerkennung verschaffen, nicht ohne daß die Isolierung verschiedener Bereiche des Denkens und Handelns voneinander jene milde intellektuelle Schizophrenie fördert, die es gestattet, die konsequente Anwendung kritischer Verfahrenweisen als Naivität zu belächeln.
Tag: NOMA
Non-overlapping magisteria
Während sich im philosophischen Denken heute die Idee der kritischen Prüfung unter Lösung vom Rechtfertigungsdenken durchzusetzen scheint, ist gleichzeitig eine Tendenz zu beobachten, die Anwendung dieser Idee nach Möglichkeit auf gewisse Bereiche einzuschränken und für andere Bereiche andere Möglichkeiten zu postulieren, vor allem: hier ältere Denkformen und traditionelle Methoden aufrechtzuerhalten. Man versucht, gewisse Bereiche gegen das Eindringen kritischer Gesichtspunkte zu immunisieren, während man andere dafür frei gibt, so, als ob die Annäherung an die Wahrheit bzw. die Eliminierung von Irrtümern, Fehlern und Mißverständnissen im einen Falle durch Kritik gefördert werden könne, während im anderen Falle kritisches Denken eher schädlich sein müsse. Solche an sich nicht sehr überzeugende Einteilungsversuche sind wohl in allen Gesellschaften an der Tagesordnung, da es stets Überzeugungen zu geben scheint, die so wichtig sind, daß ihre kritische Untersuchung Unbehagen erzeugen muß.
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