[Feyerabend:] Anarchismus heißt also nicht: überhaupt keine Methode, sondern alle Methoden, nur unter verschiedenen Umständen verschiedene Methoden angewendet (einmal ist es besser, dogmatisch zu sein; dann wieder ist es besser, auf Falsifikationen zu achten; dann wieder ist es besser eine ad hoc Hypothese nach der anderen zu verwenden; dann wieder ist es besser zu schwindeln, und so weiter und so fort). Und wenn Du mich fragst, ob es allgemeine Regeln gibt, die es uns gestatten zu entscheiden, wann welche Methode angewendet werden muß, dann sage ich nein, denn die Richtigkeit eines Vorgehens stellt sich oft erst hinterher heraus, 300 Jahre vielleicht nachdem man begonnen hat zu tun was man „nach guter Methode“ nicht hätte tun dürfen. Gerade der Umstand, daß die Brauchbarkeit, die Rationalität gewisser Verfahrensweisen erst auf Grund von Information entschieden werden kan, die Jahrhunderte später kommt, die aber nicht gekommen wäre, hätte man nicht die in Frage stehende Methode verwendet, zeigt, daß es ein elender Simplizismus ist, wenn man versucht, gewisse einfache Regeln (sei kritisch! etc.) zur Grundlage aller Verfahrensweisen zu machen. … Was lernt man nun am besten in der Wissenschaftstheorie? Man sieht sich am besten die verschiedenen Schachzüge an, die in verschiedenen historischen Situationen zum Erfolg geführt haben, und übt die eigene Intuition, indem man sich an Hand neuer wissenschaftlicher Probleme überlegt, welche Methode wohl hier die geeigneteste wäre. [144-5]
Tag: justification
The limits of critical rationalism
In Wirklichkeit ist die Methode der kritischen Prüfung an keinen intellektuellen oder sozialen Bereich gebunden. Es gibt keine sinnvolle Einschränkung ihrer Anwendung im Interesse der Erkenntnis, nur eine solche im Interesse der Aufrechterhaltung bestimmter Bestände, bestimmter geistiger und sozialer Gegebenheiten, die man dem historischen Wandel gerne entziehen möchte. Auch die Beschränkung der kritischen Vernunft auf die Wissenschaften, die Technik und die Wirtschaft ist nicht besonders sinnvoll. Es gibt keine a priori feststehende saubere Trennung der Bereiche, keine Abschottung und Isolierung von Beständen, die sich auf jeden Fall durchhalten ließe. Auch innerhalb der Wissenschaften haben sich derartige Grenzziehungen nie bewährt. Und wer die Wertfreiheit der Wissenschaft etwa so deuten wollte, daß sich der Bereich des Moralischen, der Werte und der Normen grundsätzlich kritisch-rationaler Analyse entziehe, der hätte aus der Fragwürdigkeit normativer Wissenschaften dogmatischen Charakters eine falsche Konsequenz gezogen. Als Instrument der positiven Begründung, der dogmatischen Rechtfertigung, mag die Logik in diesem Bereiche ebensowenig brauchbar sein wie in dem der Wissenschaft. Als Instrument kritischer Analyse und Prüfung, als Organon der Kritik, läßt sie sich nirgends ausschalten.
Non-overlapping magisteria
Während sich im philosophischen Denken heute die Idee der kritischen Prüfung unter Lösung vom Rechtfertigungsdenken durchzusetzen scheint, ist gleichzeitig eine Tendenz zu beobachten, die Anwendung dieser Idee nach Möglichkeit auf gewisse Bereiche einzuschränken und für andere Bereiche andere Möglichkeiten zu postulieren, vor allem: hier ältere Denkformen und traditionelle Methoden aufrechtzuerhalten. Man versucht, gewisse Bereiche gegen das Eindringen kritischer Gesichtspunkte zu immunisieren, während man andere dafür frei gibt, so, als ob die Annäherung an die Wahrheit bzw. die Eliminierung von Irrtümern, Fehlern und Mißverständnissen im einen Falle durch Kritik gefördert werden könne, während im anderen Falle kritisches Denken eher schädlich sein müsse. Solche an sich nicht sehr überzeugende Einteilungsversuche sind wohl in allen Gesellschaften an der Tagesordnung, da es stets Überzeugungen zu geben scheint, die so wichtig sind, daß ihre kritische Untersuchung Unbehagen erzeugen muß.
Entrenching authority in the name of truth
Institutionelle Praktiken, die die Konkurrenz der Ideen ausschalten, das Aufkommen alternativer Lösungen von Problemen verhindern, religiöses oder politisches Parteiliniendenken indoktrinieren, und das alles, weil bestimmte soziale Rollenträger den Anspruch erheben, im alleinigen Besitz einer absoluten Wahrheit zu sein, haben nur die Wirkung, Intoleranz, Engstirnigkeit, Starrheit, Dogmatismus und Fanatismus zu fördern und die geistige und moralische Entwicklung aufzuhalten.
Confirmation bias as a defensive strategy
Die Anwendung dogmatischer Methoden scheint unter Umständen in sehr starken Motiven zu wurzeln. Diese Motive sorgen dafür, daß das System theoretischer Überzeugungen, mit Hilfe dessen sich die betreffenden Personen in der Welt orientieren, in starkem Maße den Charakter eines „Verteidigungsnetzwerkes“ gegen bedrohliche Informationen gewinnt, so daß die Abschirmungsfunktion, die Funktion der Sicherung, über die Orientierungsfunktion dominiert. Das System wirkt also selektiv nicht in der Richtung systemrelevanter, sondern in der Richtung systemkonformer Informationen. Man tendiert in weit stärkerem Maße dazu, bestätigende Informationen zu sammeln als auf widersprechende Informationen zu achten, weil man auf diese Weise unerwünschte kognitive Dissonanz vermeiden kann. Das heißt also, daß man die Methode der positiven Rechtfertigung praktiziert, nicht die Methode der kritischen Prüfung, die ja gerade auf relevante Informationen zielt, die mit bisherigen Anschauungen unvereinbar sind.
No absolute reason either
Die Naturalisierung und Demokratisierung der Offenbarungsidee löste die Erkenntnis aus den traditionellen Bindungen und machte sie zu einer Offenbarung der Vernunft oder der Sinne. Nicht mehr durch Berufung auf mit Autorität versehene Texte, sondern durch Berufung auf geistige Intuition oder Sinneswahrnehmungen konnte man nun Erkenntnisse legitimieren. Das heißt aber nur, daß die irrationale Autorität durch rationale Instanzen mit ähnlicher Funktion ersetzt, das autoritäre Rechtfertigungsschema aber letzten Endes doch beibehalten wurde. Die Wahrheit war nun jedem zugänglich, der sich seiner Vernunft oder seiner Sinne in richtiger Weise bediente, aber gleichzeitig blieb die Idee einer Wahrheitsgarantie, die Vorstellung einer sicheren Erkenntnis, aufrechterhalten. Durch Intuition oder Wahrnehmung hatte man einen unmittelbaren Zugang zu einer unbezweifelbaren Wahrheit, von der sich die anderen, mittelbaren, Wahrheiten mit Hilfe eines Ableitungsverfahrens, in deduktiver oder induktiver Weise, gewinnen ließen. Man glaubte also immer noch auf einen sicheren Grund rekurrieren zu müssen und auch zu können.
Conferring legitimacy on democratic inputs
In fixating in these ways on ‘the simple act of voting’, political scientists are not alone. In many ways, they thereby mimic longstanding concerns of democratic theory itself. Voting has long been regarded as the consummate act of democratic citizenship. For literally centuries, extending the franchise was the great democratic project. ‘Free and fair elections’ remain among its greatest contemporary aspirations. An inclusive franchise and regular elections are rightly regarded as sine qua non of liberal democratic politics worldwide.
All of those are undeniably indispensable elements of democratic rule. All of my discussions presuppose them; none of my mechanisms can claim any democratic legitimacy without them. But in such ays on those simple acts of voting and aggregating votes can blind us to important cognitive processes that precede and shape those ultimate political acts. …
Here I shall try to refocus democratic theory, at least in part, on processes preceding the vote. More unconventionally still, I shall be concerned primarily with the processes that occur within the heads of individual voters, rather than within the formally political realm. Various elements of the democratic process (free speech, free association, free entry of new parties, and such like) have always been regarded as essential elements of the democratic competition. What are less often noticed, and to which I shall here direct most of my attention, are the more ‘internal reflective’ concomitants of democratic political discussions. [11]
Robinson Crusoe democracy
One of my central arguments in this book is that inputs themselves can be more democratic or less democratic. To the extent that people practise ‘democratic deliberation within’, their own inputs will encapsulate the concerns of many other people as well. A person who has internalized the perspectives of others, balancing them with her own, will have already partially performed the bottom-line democratic aggregation inside her own head. Her own input will therefore be ‘more democratic’, even just in the standard vote-aggregating sense of the term. [10]
How do we get everybody to participate?
If we want to make the deliberative ideal practical in those circumstances, we apparently face an unpalatable choice. Either we have to reduce the number of people deliberating, thus involving less than the entire community; or else we have to reduce the breadth or depth of the deliberation, thus making the deliberation less meaningful in some sense or another. Representative institutions (parliaments or citizens’ juries or deliberative polls or planning cells) are flawed in the first respect. Mechanisms channelling public attention (such as mass media or referenda) are flawed in the second.
Thus, the problem with which democratic elitists began at the turn of the last century returns to haunt democratic theory in its most recent incarnations. How can we constructively engage people in the public life of a mass democracy, without making wildly unrealistic demands on their time and attention?
That problem becomes particularly acute when we appreciate that we are inevitably dealing with people who often take no direct interest in political affairs, as such. Furthermore, they have no rational reason to do so, at least from a narrowly instrumental perspective. After all, the odds are minuscule that any one person’s vote or voice will make any great difference to the ultimate outcome among a large group of people; so it is perfectly rational for voters not to go to any great trouble or expense informing themselves. [5]
Deliberative democracy
The final decade of the second millennium saw the theory of democracy take a strong deliberative turn. Increasingly, democratic legitimacy came to be seen in terms of the ability or opportunity to participate in effective deliberation on the part of those subject to collective decisions. (Note that only the ability or opportunity to participate is at issue; people can choose not to deliberate.) Thus claims on behalf of or against such decisions have to be justified to these people in terms that, on reflection, they are capable of accepting. The reflective aspect is critical, because preferences can be transformed in the process of deliberation. Deliberation as a social process is distinguished from other kinds of communication in that deliberators are amenable to changing their judgements, preferences, and views during the course of their interactions, which involve persuasion rather than coercion, manipulation, or deception. The essence of democracy itself is now widely taken to be deliberation, as opposed to voting, interest aggregation, constitutional rights, or even self-government. The deliberative turn represents a renewed concern with the authenticity of democracy: the degree to which democratic control is substantive rather than symbolic, and engaged by competent citizens. [1]
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