Zehnte These: Der Sieg der Anthropologie ist der Sieg einer angeblich beobachtenden, angeblich beschreibenden und angeblich induktiv-generalisierenden Methodologie, und vor allem anderen einer angeblich objektiveren und daher dem Anschein nach naturwissenschaftlichen Methode. Es ist ein Pyrrhussieg; noch ein solcher Sieg, und wir sind verloren – das heißt nämlich die Anthropologie und die Soziologie.
Meine zehnte These ist, wie ich gerne zugebe, ein wenig zu scharf gefasst. Vor allem muß ich zugeben, daß viel Interessantes und Wichtiges von der sozialen Anthropologie entdeckt wurde und daß sie eine der erfolgreichsten Sozialwissenschaften ist. Und ich will auch gerne zugeben, daß es für uns Europäer von großem Reiz und von großem Interesse sein kann, uns einmal selbst durch die Brille des sozialen Anthropologen zu betrachten. Aber obwohl diese Brille vielleicht farbiger ist als andere Brillen, so ist sie eben deshalb wohl kaum objektiver. Der Anthropologe ist nicht der Beobachter vom Mars, der er oft zu sein glaubt, und dessen soziale Rolle er nicht selten und nicht ungern zu spielen versucht; und es gibt auch keinen Grund, anzunehmen, daß ein Bewohner vom Mars uns „objektiver“ sehen würde, als wir uns zum Beispiel selbst sehen. [85]
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